Chevrolet Volt - Fahrbericht

Mit dem Chevrolet Volt will General Motors nichts weniger als das Auto neu erfinden, ab 2011 auch bei uns.

Der Blick ist auf die grüne Säule auf der linken Seite des Monitors fixiert. Sie symbolisiert die Batterie, das Herzstück des elektrifizierten Chevrolet Volt. Das Kontrollsystem zeigt eine restliche Reichweite von 22 Meilen an. 29,3 Meilen sind schon zurückgelegt, zusammen wären das 51,3 Meilen oder 82 Kilometer. Sanftes Beschleunigen, maximale Rekuperation beim Ausrollen - so könnte es funktionieren. Ein Auto als Lehrmeister für wirtschaftliches Fahren, mit einer Digitalanzeige, die (wie in so vielen andere Hybridfahrzeugen auch) den Ehrgeiz beim Sparen weckt.

Am an sich unscheinbaren Viertürer namens Chevrolet Volt ist vieles anders als bei anderen Autos. Der geschlossene Kühlergrill und ein verkleideter Unterboden sorgen für einen Luftwiderstandsbeiwert von 0,28. Die kompakte Karosserie hat statt einer zwei Öffnungen zum Nachtanken. Am Kotflügel vorne links ist der Anschluss für das Ladekabel, hinten rechts der Tankstutzen für den Treibstoff des (in Wien-Aspern gebauten) Verbrennungsmotors, der die Reichweite verlängert. Vor den Augen des Fahrers geht es zu wie im Raumschiff Enterprise, und das nicht nur wegen der weißen Konsole mit Touchscreens für die Navigations-, Klima- oder Entertainment-Steuerung. Zwei Sieben-Zoll-Monitore bestimmen die Informationspolitik.

Außer dem Ladebalken der Batterie, der sich nach dem Entladen in eine blaue Tanksäule verwandelt, spielt ein animiertes grünes "Kugerl" eine wichtige Rolle. Es bewegt sich auf und ab wie ein Tischtennisball auf einem Luftstrom im Glaszylinder. Verharrt es in der Mitte, ist das Auto mit optimaler Energieeffizienz unterwegs; steigt es auf, wird mehr verbraucht als nötig. Kräftiges Bremsen kann den Ball nach unten drücken, dann wird kinetische Energie in elektrische zurückverwandelt. Teuerster und mit 200 Kilogramm schwerster Bauteil des gesamten Fahrzeugs ist der Akku. Der wie ein großes T geformte Block aus 228 Zellen ist auf eine Kapazität von 16 Kilowattstunden ausgelegt. Zwischen 10 und 12 kWh - genau verraten es die GM-Ingenieure nicht - werden zum Fahren genützt, der Rest bleibt für die reibungslose Funktion der Bordsysteme erhalten.

Geschmeidig und trotzdem druckvoll, fast lautlos und doch mit der Kraft von bis zu 370 Newtonmetern zieht der Volt an. Schnell stellt sich wenig überraschend heraus, dass der Stadtverkehr der ideale Einsatzort für den Wagen ist. Sanft beschleunigen, vorausschauend fahren, vor Stopschildern oder der Ampel die zuvor verbrauchte Energie fast vollständig wieder einfangen - so geht das. Das Auto kann mithelfen, denn der Automatik-Wählhebel hat die sogenannte "L"-Stellung. Sie verstärkt die Verzögerungswirkung und erlaubt maximale Rekuperation der Bremsenergie. Auf der Autobahn spielt sich nur das Rollgeräusch der Reifen in den Vordergrund, aber die Energiebilanz sieht nicht ganz so rosig aus. Tempi zwischen 80 und 120 m/h werden souverän und zügig erreicht, aber der idealerweise fließende Verkehr bietet nur wenig Möglichkeiten, Energie zurück zu gewinnen. Der grüne Balken schrumpft, bis der 83 PS starke Benzinmotor auf sehr dezente Weise eingreift. Erst bei energischer Leistungsanforderung macht er durch hörbare Drehzahlen auf sich aufmerksam.

Ob rein elektrisch oder mit Benzin-Unterstützung, zum Rasen ist der Volt nicht gebaut. Seine Designer hatten die strikteren amerikanischen Tempolimits im Sinn. Bad news für unsere deutschen Nachbarn mit dem bleiernen Gasfuß: Mehr als 160 km/h erlaubt die Steuerungselektronik mit Rücksicht auf die Reichweite nicht. Federung und Dämpfung wirken eher europäisch straff als amerikanisch weich. Die Lenkung ist um die Mittellage etwas schwammig, sonst aber direkt genug. Hinten sitzen Erwachsene bequem, aber mit der Heckscheibe unmittelbar über dem Scheitel. Der flach abfallende Dachholm zwingt beim Ein- und Aussteigen zum Kopfeinziehen. Die Bremsen sind gut dosierbar und setzen stärkeren Pedaleinsatz unmittelbar in festen Biss auf die Bremsscheiben um.

Den täglichen Gebrauch des Volt stellt sich GM so vor: Entsprechend programmiert entnimmt das Fahrzeug in der Nacht den preisgünstigsten Strom aus dem öffentlichen Netz, es heizt bis zur Abfahrt die Batterie auf Betriebstemperatur und im Winter auch gleich den Innenraum auf ein angenehmes Niveau vor. (Wer keine eigene Garage oder zumindest Lademöglichkeit hat, findet bereits diesen Punkt als unüberwindliches Hindernis.) Der durchschnittliche Benützer ist nach 35 Kilometern bei seiner Arbeitsstelle angekommen und schließt auf dem Firmenparkplatz gleich wieder das Ladekabel an. (Wiederum stellt sich die Frage, woher diese Infrastruktur kommt.) Abends an der heimischen Steckdose verlässt er seine Garage mit dem wohltuenden Gefühl, die Minderung der Ölressourcen anderen überlassen zu haben. Die jährlichen Stromkosten sollen laut GM-Rechnung dabei die eines Eiskastens nicht übersteigen. Soweit die Theorie - ob die Praxis tatsächlich so funktioniert, können in den nächsten Wochen die ersten amerikanischen Kunden testen. Vielleicht brauchen sie einige Zeit, den für sie optimalen Betriebsmodus zu finden. Sehr wahrscheinlich können sie aber auch erleben, was die Testfahrt so einzigartig gemacht hat: Freundliches Winken, anerkennende Blicke, neugierige Fragen an der Ampel und Sympathiebekundungen aller Art von anderen Autofahrern.

Opel wird im nächsten Herbst das fast baugleiche Elektromodell Ampera auf den Markt bringen. Der für den Markterfolg von Volt/Ampera wichtigste Faktor, nämlich der Preis, ist noch nicht bekannt. In den USA übersteigt der Basispreis des Wagens die 40.000-Dollar-Grenze, nach Abzug eines gewährten Steuerbonus sind immer noch mindestens 32.790 Dollar fällig. In Anbetracht der in Europa viel populäreren, auch sparsamen und auf ihre Weise weniger komplizierten Diesel-Konkurrenz erscheint uns die Ausgangslage für den Volt und seinen Opel-Bruder nicht einfach.

mid/afb, jg