Lexus LS 460 : Kampfansage an Europas Oberklasse

Selbstbewusstes Understatement

Die neue Achtzylinder-Limousine aus dem Hause Lexus, der LS 460, erweckt den Eindruck, dass die Japaner es den europäischen Marken mal so richtig zeigen wollen, zu welchen Technologien und zu welchem Luxus sie fähig sind. Ebenso trotzig wirkt der Preis jenseits der 80.000er Marke für die Basisausstattung. Wirft man aber einen Blick in die Aufpreislisten, liegen deutsche Premium-Modelle im Schnitt doch um gut ein Zehntel im Preis höher als der Japaner. Der steht nämlich auch in der Basisversion schon fast komplett ausgestattet auf seinen 18-Zoll-Rädern.

Im Preis enthalten sind auch so feine Details wie Bi-Xenon-Kurvenlicht, adaptives Fahrwerk mit Luftfederung, ein integriertes Fahrdynamik-Paket inklusive Elektronischem Stabilitätsprogramm, variable Lenkübersetzung, Leder-Komfortsitze mit Memory-Funktion für den Fahrersitz, Klimaautomatik, CD-Audiosystem, DVD-Navigation, Einparkhilfe und ein Smart Entry- und Startsystem - alles für den Luxus, das schnelle Fortkommen und die Sicherheit.

Bevor wir zu sehr ins Schwärmen geraten, wollen wir einen Blick auf die Schwächen werfen. Die Innenraummaße bewegen sich irgendwo im Bereich der oberen Mittelklasse. Wer sich für die Vier-Zonen-Klimaanlage entscheidet, muss auf 80 Liter von den 510 Litern Inhalt des Kofferraums verzichten. Und die Sonnenblenden und Haltegriffe wirken, als seien sie aus einem kleineren und viel billigeren Toyota in den Lexus gerutscht.

Das war's aber auch schon, was bei den ersten Fahreindrücken negativ auffiel. Natürlich liefert der neu konstruierte Achtzylinder Benziner mit 4,6 Litern Hubraum einen guten Job ab. 280 kW / 380 PS bei 6400 Umdrehungen pro Minute (U/min) und ein maximales Drehmoment von fast 500 Newtonmeter bei 4100 U/min sprechen eine deutliche Sprache, wenn auch nicht laut. Der LS 460 ist immer noch das Maß der Dinge in Sachen Fahrgeräusche.

Leiser gehts kaum und schneller selten. Der LS 460 beschleunigt in 5,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h und lässt sich seinen Vorwärtsdrang erst bei 250 km/h von der Motorregelung einbremsen. Der Verbrauch für die fast 2,5 Tonnen schwere Limousine soll im Durchschnitt bei wenig mehr als elf Litern liegen.

Der Lexus LS 460 führt jedem vor Augen, was die Elektronik im Auto heute vermag. Er hilft beim Spurhalten, beim Lenken, beim Ausweichen, beim Bremsen und jetzt sogar auch beim Einparken, was bei einem Auto von mehr als fünf Metern Länge ja durchaus interessant sein kann. Fährt man an einer Parklücke vorbei und legt den Rückwärtsgang der achtstufigen Automatik ein, weiß das System, ob es das Fahrzeug dort hineinbugsieren kann. Nach dem Druck zweier Felder auf dem Touchscreen des zentralen Displays in der Mittelkonsole übernimmt die Elektronik das Steuer und fährt den LS hinein. Der Fahrer steuert den Prozess nur mit der Bremse. Er muss allerdings nach dem Rückwärtsfahren noch einmal "von Hand" vorfahren, um den Wagen gerade zu ziehen. Im LS arbeitet der Intelligente Parkassistent also automatischer als im Toyota Prius, aber noch nicht vollautomatisch.

Mehr als dieses Blechschaden-Abwendungs- und Komfort-Element beeindrucken allerdings die Sicherheitssysteme an Bord des Lexus. Jetzt warnt auch der LS 460 vor einer Annäherung an ein Hindernis , das er dank der Kombination von Kamera und Radar als solches identifiziert hat. Wird der Fahrer nicht tätig, reduziert das Fahrzeug die Geschwindigkeit, wird der Fahrer tätig und will ausweichen, hilft der Lexus gleich mehrfach: die Lenkung wird direkter, die Wankneigung in der Kurve wird herabgesetzt und die Lenkung deutet an, wo es am besten langgehen sollte.

Die Sensorik schaut dabei dem Fahrer ins Gesicht. Schaut er nicht auf die Fahrbahn, ist also abgelenkt, handelt sie. Ist er aufmerksam, wartet sie ab. Ähnliches gilt für den Spurhalteassistenten . Der meldet sich nicht nur dann, wenn eine Linie überfahren wird, ohne dass der Fahrer den Blinker gesetzt hat. Arbeitet das System, hält es das Auto zwischen den Linien.

Das sind nur drei der vielen Helferlein, die im Hintergrund wirken, wenn man sie nicht dazu auffordert, über ihre Arbeit mit Zeichen, Tönen und Sprache zu berichten. Die Summe der Assistenten ist zweifellos beeindruckend. Die Frage muss daher erlaubt sein, ob Lexus seinen Fahrern das Steuer aus der Hand nehmen will. Die Antwort auf diese Frage hat zwei Teile: Erstens einen juristischen: Der Fahrer bleibt immer in der Verantwortung. Und zweitens einen emotionalen: Vielleicht ist es gerade bei so kommoden Langstrecken-Limousinen sicherer, wenn auf langen Strecken jemand mit aufpasst. Vier Augen sehen eben mehr als zwei. Das gilt auch für TV-Augen und Radar.

Nach so viel Theorie ein Blick aufs Auto und auf seine Eigenschaften. Der Lexus LS folgt in seinen Proportionen in etwa denen des 7-er BMW mit langer Schnauze, elegant geschwungenem Dach und kurzem hinteren Überhang. Sein Anblick von vorn ist typisch Lexus mit dem großen, lächelnden Chromgrill. Seine breiten Schultern vorn und viele sorgfältig gestaltete Details geben ihm ein ganz eigenes Gepräge aus Zurückhaltung und Kraft.

Innen wird man überwältigt von einem Überfluss an Schaltern und Knöpfen , angeblich gedacht für die Amerikaner, denen man nicht zu viel zumuten darf. Viele Europäer werden diese Vielfalt allerdings als nicht zeitgemäß einstufen, auch wenn sie sich auf Langstrecken als durchaus unterhaltsam herausstellen könnte. Dennoch: Selten sah man ein so sorgfältig ausgefeiltes Cockpit.

Der Lexus LS 460 zeigt seinen Luxus dem Fahrer und seinen Mitfahrern, aber nicht der Außenwelt. Auch seine Leistung versteckt er vor den anderen. Aber unter seinem Blech steckt ein Könner. Er fährt sich fast perfekt, ob man es nun amerikanisch weich oder lieber etwas sportlicher hätte. Allein sehr kurze Stöße der Fahrbahn dringen nach innen durch. Sonst bewegt man sich durch den Verkehr, als sei man Teil eines perfekten Videospiels - stets Herr der Situation und dennoch mit Distanz zu der rauen und lauten Wirklichkeit.

So empfiehlt sich der Lexus LS 460 für die alten Freunde dieser Marke und für solche, die nicht unbedingt die anderen Premiummarken fahren und dennoch ein gutes Auto ihr Eigen nennen wollen.

auto-reporter

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