Mercedes SLS E-Cell - Fahrbericht

Der Supersportler SLS kommt 2013 in einer Kleinserie mit Elektromotor auf den Markt. Jetzt war der E-Cell erstmals zu begutachten.

Norwegen sieht sich als Öko-Musterstaat und vertraut auf Strom aus Wasserkraft, ist aber auch einer der größten Erdöl-exporteure. Für die langen Distanzen und die großen Temperatur- schwankungen eignet sich ein Elektroauto hier kaum, argwöhnt einer der neugierigen Zuschauer.

Beim ersten Vollgasstoß gibt der Elektro-SLS kaum mehr als ein Surren von sich. Dennoch springt er gleich nach dem Start los und presst den Fahrer in den Sportsitz. Im Armaturenbrett findet sich kein Tourenzähler. Wo sonst die Drehzahl glänzt, zeigt ein Digitalinstrument Kraftfluss und Restkapazität der Akkus. Das elegante Cockpit des Mercedes SLS ist bei der E-Cell-Version nicht wiederzuerkennen. So gibt es keine Tachonadel, sondern eine Tachoscheibe, die sich dreht und den gewaltigen Vortrieb des Boliden visuell unterstreicht. Noch eindrucksvoller ist die Mittelkonsole, die von einem iPad-förmigen Großdisplay mit Touchscreen dominiert wird.

Klimatisierung, Radio, Festplattenspieler oder Navigation - alles lässt den Mercedes SLS E-Cell bereit für den Serienanlauf erscheinen. Auch außen sieht er abgesehen von der polarisierenden Lackierung kaum anders aus als die bei Magna Steyr in Graz gebaute Benzin-Serienversion. Nur die Abwesenheit von Auspuff-Endrohren lässt einen Unterschied erkennen. Aber Kai Marten aus dem AMG-Vorstand dämpft die Erwartungen, die nach den ersten Kilometern noch gewaltiger werden. "Dadurch, dass bei der Gesamtkonzeption des Fahrzeugs bereits eine Elektroversion bedacht wurde, hatten wir einen Vorsprung. Doch es gibt in der nächsten Zeit für uns noch genug zu tun, ehe der SLS E-Cell serienreif ist." 2013 will der deutsche Hersteller sein Image-Mobil mit Flügeltüren in einer Kleinserie auf den Markt bringt. Der Preis von 212.500 Euro für den gewöhnlichen SLS wird nicht mehr ausreichen, er dürfte sich für die ersten Modelle mindestens verdoppeln.

Vier Elektro-motoren, die nahe den Rädern untergebracht sind, verleihen dem SLS E-Cell sozusagen Flügel. Dabei kann der Prototyp aus Stuttgart sein mächtiges Eigengewicht von über zwei Tonnen nicht überspielen. In schnellen Kurven oder auch beim Spurt aus dem Stand auf 100 km/h in unter 5 Sekunden macht sich das Leergewicht bemerkbar. Und der E-Cell bringt gut 300 Kilogramm mehr als der Benziner auf die Waage. Die Lithium-Ionen-Akkus wiegen dabei allein 450 Kilogramm und sind im Mitteltunnel, im Vorderwagen und hinter den Sitzen untergebracht. Sie werden von der Firma Kokam, einem Batteriespezialisten aus Korea, zugeliefert. Der elektrische Allradantrieb und der niedrige Schwerpunkt steigern die Fahrfreude immens: "Im Vergleich zum normalen SLS ist der Schwerpunkt des E-Cell nochmals 23 Millimeter tiefer", erklärt Jan Feustel, bei AMG für den elektrischen SLS zuständig. Zwar erreicht die E-Version nicht die Leistungswerte des Benziners mit 420 kW / 571 PS und 317 km/h, doch immerhin schaffen es die vier Elektromodule des E-Cell auf 392 KW / 533 PS und ein gigantisches Drehmoment von 880 Nm. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 250 km/h: "Das erwarten die Kunden von AMG. Wir sind eine Performance-Marke. Daher soll der SLS E-Cell auch so schnell sein, wie unsere anderen Modelle", sagt Kai Marten.

Wie sehr das die avisierten 200 Kilometer Mindestreichweite angreift, wird sich nach Hochgeschwindigkeitsfahrten auf germanischen Autobahnen zeigen. An der norwegischen Atlantikstraße kann der SLS E-Cell jedenfalls überzeugen. Nach über 80 Kilometern flotter bis schneller Fahrt auf der Landstraße zwischen Kristiansund und Bud zeigt der Bordcomputer noch knapp 50 Prozent Restkapazität für den Akkupack an. Am Thema Ladezeit müssen die Entwickler von AMG noch arbeiten. "Ist der Akku leer, kann der Ladevorgang schon acht Stunden dauern", so Jan Feustel, "die ersten 60 Prozent gehen vergleichsweise schnell. Danach wird es zäh. Mit Starkstrom wie 400 Volt funktioniert das Ganze natürlich deutlich flotter." Zudem bleibt noch die Frage nach dem Motorsound. "Das Einspielen von akustischem Motorsound kommt für uns nicht in Frage", wirft Kai Marten ein, "der Wagen muss auf jeden Fall elektronisch klingen." Aktuell erinnert der gut gedämpfte Sound jedoch nach wie vor an eine beschleunigende Schnellbahngarnitur.

Ein paar Tage war der papageiengelbe SLS E-Cell die Attraktion der Umgebung von Kristiansund in Norwegen. Jetzt geht es wieder nur um Fischerei, Bohrinseln und eine Handvoll Touristen. Und an der beschaulichen Ruhe wird sich auch weiterhin nichts ändern. Mit oder ohne Elektro-SLS.

mid/stg

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