50 Jahre Renault 4 - kleine Ausfahrt

Der Renault 4 feiert dieses Jahr seinen 50. Geburtstag. Im Rahmen einer Präsentation hatten wir die Gelegenheit, mit dem Jubilar ein paar Runden zu drehen und in Erinnerungen zu schwelgen.

Über die Geschichte des R4 haben wir schon vor einiger Zeit ausführlich berichtet, jetzt hatten wir noch die Möglichkeit, einen Sprung in die Vergangenheit zu machen und mit drei Generationen des R4 eine kleine Testfahrt zu unternehmen.

Schon beim Anblick der drei Testkandidaten wird es jedem Autofan warm ums Herz und Erinnerungen kommen hoch. Der R4 war ein fest verankertes Bild auf unseren Straßen, aber heute sind diese Modelle schon rar geworden und fast nur noch bei Oldtimerausfahrten zu sehen. Während wir den R4 früher als fixen Bestandteil unseres Lebens und als Alltagsfahrzeug gesehen haben, stellt er heute etwas Besonderes dar.

Neben den neuen Autos mit x-Airbags, elektronischen Fahrhilfen, emissionsarmen Motoren und aerodynamischem Design wirkt der R4 zierlich und gebrechlich, aber dafür sehr eigenständig und mit viel Charme. Einen Charme, den wir früher oft nicht erkannt haben. Auch bei Autos ist es oft so wie bei vielen Menschen: Erst wenn sie nicht mehr da sind, lernt man sie so richtig zu schätzen.

Dinge, die früher vielleicht genervt haben, wie zum Beispiel das spartanische Innenleben oder die "Revolverschaltung", die viele Kunden vorweg abgeschreckt hat, sind heute einfach nur "cool". Unsere Oldtimer-Testkandidaten präsentieren sich dabei noch in Top-Zustand und frisch wie am ersten Tag.

Wenn drei Generationen nebeneinander stehen, kann man auch sehr gut die Entwicklung des R4 sehen, wobei die Generation ab 1968 aus unserer Sicht den meisten Charme hat. Die ersten Modelle sind doch noch sehr bescheiden ausgestattet: Ein unverkleidetes Armaturenbrett, eine durchgängige Sitzbank und nur 3 Gänge stellen das Minimum des Möglichen dar.

Ab 1968 hat der R4 dann ein richtiges Armaturenbrett mit übersichtlich angeordneten Schaltern und vier Gänge bekommen. Die Einzelsitze vorne sind ein weiterer Luxus und ermöglichen eine bessere Sitzposition, wenngleich natürlich das Wort "Seitenhalt" noch immer nicht im Sprachschatz der Ingenieure vorkam.

Bei der letzten Generation des R4 hat dann schon zuviel Plastik Einzug gehalten, was den Charme aus heutiger Sicht etwas mindert. Damals wollte man den R4 optisch aufgefrischt gegen die moderne Konkurrenz ins Rennen schicken und hat versucht, den damaligen Geschmack mit viel Plastik und modischeren Armaturen zu treffen, was ja auch gelungen ist.

Neben dem ursprünglichen Design gibt es noch eine Gemeinsamkeit aller drei Generationen: Den einmaligen Motorsound. Der kleine 4-Zylinder-Motor wurde zwar im Laufe der Zeit von ursprünglich 747 ccm auf bis zu 1.280 ccm vergrößert, und die Leistung variierte zwischen bescheidenen 26 PS und schon fast sportlichen 45 PS, der Sound ist aber immer gleich geblieben.

Sobald ein R4 gestartet wird, erkennt man ihn am Motorgeräusch, bis dann kurz danach auch die Nase den bleihaltigen Duft des verbrannten Benzins wahrnimmt. Für die Umwelt natürlich ganz schlecht, für Leute mit Benzin im Blut aber noch immer etwas, das einem ein Lächeln ins Gesicht zaubert und wehmütig an die gute alte Zeit erinnert.

Sitzt man erst mal hinter dem zierlichen Steuer, kommt einem alles sehr eng und spartanisch vor. Kein geschäumter Kunststoff, kein Airbag, keine Armlehne in den Türen, und das Einzige, was elektrisch funktioniert, sind Blinker, Licht und Scheibenwischer. Aber trotzdem - oder gerade auch deswegen - fühlt man sich sofort wohl.

Das Zündschloss sitzt unter der Lenksäule, die Handbremse ist noch ein langer, hakeliger Stockhebel, und die Revolverschaltung thront in der Mitte des Armaturenbretts. Was im ersten Moment natürlich ungewöhnlich anmutet, ist in der Praxis genial. Erst viele Jahre nachdem der R4 schon in Pension geschickt wurde, erkannten die Autodesigner, dass es nicht unklug ist, den Schalthebel griffgünstig, nicht unweit des Lenkrads, zu positionieren.

So gesehen war der R4 nicht nur in puncto Platzangebot, sondern auch in diesem kleinen Detail seiner Zeit weit voraus. Einmal in Übung lässt sich das Getriebe auch butterweich und intuitiv schalten. Viel zu tun hat man bei den 3 Gängen der ersten Generation ohnedies nicht, der 1. Gang ist lediglich zum Anfahren gedacht, der 2. Gang hat dann auch nur ein kurzes Gastspiel, und der lang ausgelegte 3. Gang erledigt die meiste Arbeit.

Einmal in Fahrt gekommen, lässt es sich mit dem R4 auch genüsslich reisen, und es kommt ein weiteres Detail zum Vorschein, bei dem der R4 so manches Auto seiner Klasse noch heute alt aussehen lässt: Das Fahrwerk.

Es ist kaum zu glauben, wie gutmütig sich der kleine Franzose ganz ohne ESP oder technische Hilfsmittel flott durch Kurven bewegen lässt. Die Karosserie neigt sich dabei zwar sehr stark, aber der R4 klebt förmlich auf der Straße und lässt sich auch durch Unebenheiten nicht aus der Ruhe bringen.

Im Laufe der 31 Produktionsjahre hat sich der R4 in diesem Punkt auch kaum geändert. Das Fahrvergnügen im Modell der zweiten und dritten Generation wurde nur durch den 4. Gang und bessere Sitze gesteigert das Grundkonzept ist aber trotzdem immer gleich geblieben.

Nach Ende der Testfahrt fällt der Abschied schwer, der R4 schafft es verdammt schnell, sich mit seiner schrulligen Art ins Herz zu schleichen und vermittelt einem mehr Fahrfreude als manch moderner Wagen. Bleibt nur noch die Frage, wie man es seiner Frau schonend beibringen soll, dass das nächste Projekt ein Oldtimer namens R4 werden könnte...