50 Jahre Trabant : Totgesagte leben lange

1957 tauchten die ersten Werkswagen auf den Straßen auf

Der Trabant ! Was ist über diesen Typ nicht schon alles erzählt und geschrieben worden! Wissenswertes und Amüsantes war dabei, auch Albernes, nicht selten ziemlich Falsches nach dem Motto: Keine Ahnung von der Sache, davon aber viel. Euphorisch geweckte Urauto-Instinkte und fantasievolle Fehldeutungen seiner angeblich rostfreien hohen Lebenserwartung sorgten dafür, dass heute das Auftauchen einzelner Exemplare auf der Straße - Restbestand eines einstigen Millionenheeres - unterschwellig geradezu Sympathien für den Trabant auslöst.

Ob man das automobile Urvieh mag oder nicht - es hat Geburtstag, wird 50. Einem Gefährt, das auf ganz eigene Weise die deutsche Automobilgeschichte bereicherte, sollten aus gegebenem Anlass durchaus ein paar rückblickende Zeilen gewidmet werden.

Prosaisch klang das Wiegenlied weiß Gott nicht. "Er ist leicht, stoß- und verwindungsfest, elastisch und korrosionsfrei, im Winter wie im Sommer isolierend ." So hieß es Mitte der Fünfziger Jahre in einer Anzeige des VEB Automobilwerk AWZ Zwickau (später VEB Sachsenring Zwickau). Gemeint war der Duroplast-Werkstoff , der im Karosseriebau übliches Blech ersetzte.

Noch allerdings galt jene Botschaft nicht dem Trabant. Gewidmet war sie der "Plastik-Karosserie" seines Vorläufers, des Kleinwagens P 70 , den ein 22 PS leistender Zweizylinder-Zweitaktmotor mit 690 Kubikzentimeter Hubraum mühsam in den Autostand hob. Technischen Rückstand markierten nicht allein die Bremsseile dieses Autos. Vieles, auch der Karosserieaufbau, erinnerte an seinen ehrwürdigen DKW-Stammbaum, dessen letzter Zweig in der DDR zum IIFA F8 führte. Automobiltechnik von gestern .

Die Duroplast-Beplankung der P-70-Karosserie aber, so hieß es in jener Anzeige, entspreche "allen Forderungen der modernen Technik". Die Rezeptur zur Herstellung der Duroplast-Teile klingt abenteuerlich: Übereinandergelegte Lagen aus Baumwollresten - eigentlich Abfall - wurden mit Phenolharz beträufelt. Dann schnitt man Motorhaube, Kotflügel, Kofferraumdeckel und die Türaußenhaut aus und brachte die so vorbereiteten Beplankungsteile unter eine Presse.

Druck und Wärme formten den neuen Werkstoff. Wenig später sollte sich genau dieses Material - wundersamer willkommener Blech-Ersatz - auch beim P 50 , dem ersten Trabant, bewähren. Diesmal umgab die Duroplast-Hülle das Stahlblechgerippe einer selbsttragenden Karosserie, gab dem Kleinwagen Form und verlieh ihm karge Schönheit .

Ende 1957 tauchten die ersten Werkswagen auf den Straßen auf . Ein halbes Jahr später gingen Nullserienfahrzeuge als Testobjekte an die drei "Auto-Zeitschriften" der DDR. Auch "Der Deutsche Straßenverkehr" - nach der Wende unter Regie der Stuttgarter Motor-Presse im neuen Titel "Auto/Straßenverkehr" aufgegangen - bekam ein Testexemplar ab, das sich allerdings trotz aller Freude über die endlich vollzogene Geburt des DDR-Volkswagens angesichts einer ganzen Reihe von Ungereimtheiten im Detail eine ziemlich kritische Beurteilung gefallen lassen musste.

Fahrfertig wog der Trabant-Erstling P 50 620 Kilogramm. Sein Gebläse-gekühlter Zweizylinder-Zwei-Takter (wehe, wenn der Keilriemen riss!) gewann aus 500 Kubikzentimeter Hubraum dürre 18 PS . Ermittelt wurden ein Testverbrauch von 7,75 Litern pro 100 Kilometer und eine Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h . Für die "Luxusausführung" waren - nach jahrelanger Bestellzeit - 8.470 DDR-Mark zu bezahlen.

Das war viel Geld, für viele zu viel. Und die Preise kletterten weiter. Wie heute. Nach dem Trabant 500 kam der leistungsgesteigerte 600er . Vor allem aber ist es dessen Nachfolge-Typ 601 mit neuer Karosserie, der hierzulande heute noch häufiger unterwegs ist und automobilgeschichtliche Spuren hinterlässt.

Zuletzt leistete der zweitaktende Trabant 26 PS. Warum 601? Lästerzungen fanden prompt eine Erklärung: " Sechshundert haben das Auto bestellt, nur einer hat's bekommen ." Nein, lustig war das eigentlich nicht. Rückblende: 18 Jahre alt musste man schon sein, wenn man beim "IFA-Vertrieb" der DDR eine Autobestellung abgeben wollte. Sehr viel später, nach zehn, zwölf oder noch mehr Jahren - je nach Automarke - durfte auf die Auslieferung gehofft werden.

Dementsprechend schwunghaft entwickelte sich der Handel mit Gebrauchtwagen, deren begehrteste Exemplare durchaus auch zum Neupreis und darüber verhökert wurden. Zum Wende-Jahreswechsel 89/90 soll der IFA-Vertrieb einen Lieferrückstand von mehr als sechs Millionen PKW gehabt haben.

Der beim Ausklang der volkseigenen Mangelwirtschaft gebaute Trabant 1.1 mit in Lizenz gebautem, 40 PS leistendem VW-Viertaktmotor brachte dem bellenden und qualmenden (drehschiebergesteuerten!) Zwei-Takter zwar das Aus, spielt in der Trabant-Geschichte aber nur eine untergeordnete Rolle. Nach der Fertigung von knapp 40.000 1.1-Exemplaren - quasi ein nochmaliger Durchhalteversuch - war am 30. April 1991 im Zwickauer Werk endgültig Schluss.

auto-reporter

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